Hallo liebe kleine und große Naturfreunde!
Dieser süße kleine Waschbär war für ein paar Tage unser Gast, bis wir einen Platz für ihn fanden in einer Wildtier-Auffang-Station. Es war alles andere als ein Kinderspiel einen solchen Platz für ihn zu finden, denn die Auffang-Stationen sind überfüllt und kleine Waschbären sind dort leider keine gern gesehenen Gäste. Generell werden sie vielerorts als Plagegeister gehasst und missachtet. Mir macht es auch keine Freude die Mülltonnen mit Handschuhen wieder einräumen zu müssen, weil ein solcher ausgewachsener Strolch unsere auf den Kopf gestellt und nach "Leckerbissen" durchsucht hat. Aber seit dem wir diesen kleinen Freund kennenlernen durften und viel Freude mit ihm hatten macht uns solch ein unappetitlicher Job nur noch halb so viel aus. Aber nun zur Geschichte.
Ein Freund besuchte uns an einem Sonntag Nachmittag und stieg aus seinem Auto aus mit den Worten: "Seht mal was ich Euch mitgebracht habe!" Es waren zwei kleine Waschbären, die sich fauchend im letzten Winkel des kleinen Autos versteckten. Er hatte sie am Morgen aus dem Wald mitgebracht, nachdem er sie einige Tage beobachtete und feststellte, dass die beiden wohl Waisenkinder waren. Als wir den ersten unter heftigen Protesten aus dem Auto holten und in eine notdürftige Unterkunft gesetzt hatten war von dem zweiten keine Spur mehr zu finden. Er hatte wohl das Weite gesucht.
Ich informierte mich bei Freunden, Tierärzten und Forstleuten, kaufte Katzenaufzuchtmilch und organisierte am späten Abend noch über eine Tierklinik eine größere Behausung. Während ich unterwegs war, zimmerte mein Mann ihm noch eine kuschelige Holzkiste und setzte ihn hinein für diese Nacht. Als ich wieder zu Hause ankam war es dunkel und wir beschlossen ihm die behaglichere Einrichtung am nächsten Tag herzurichten.
Kaum war ich wach führte mich der erste Gang hinaus zum Bärchen, aber was war das? Der Hasendraht, den mein Mann oben vorübergehend und dennoch fest verschraubt hatte, war an einer Stelle aufgebogen und der kleine Waschbär war weg. Oh je, ich nahm alle Verstecke rund ums Haus unter die Lupe, vergeblich. Wir waren alle ziemlich geknickt - mein Mann und ich auch ein ganz kleines Bisschen froh nun um die Verantwortung herum gekommen zu sein, die Kinder weinten dicke Krokodil-Tränen.
Zwei Tage später - es war inzwischen sehr heiß gewesen - klingelte es morgens um kurz nach 6 Uhr an der Tür. Etwas verwundert über diesen frühen Gast öffnete ich ein Fenster und da stand unser Freund vor der Tür winkend und mit den Worten: "Seht mal wen ich hier habe!" Wir trauten unseren Augen nicht. Das war Waschbär-Baby Nummer zwei, der bei großer Hitze zwei Tage als blinder Passagier unterwegs war.
Eine behagliche und halbwegs geräumige Behausung als Übergangslösung war nun schnell hergerichtet und alles Nötige zur Verpflegung war auch noch da. Wir konnten ihm so gleich etwas zum Trinken anbieten, was er sehr dankbar annahm. Am ersten und zweiten Tag fauchte und knurrte er noch heftig, wenn wir "seinem Reich" zu Nahe kamen oder ihn zum Füttern herausholen wollten. Dieser kleine federleichte Kerl hat viel Kraft, ein sehr kräftiges Gebiss - mein Daumen bekam es leidvoll zu spüren - und kann sich sehr gut festhalten.
Da ich wußte, wir würden ihn nicht großziehen können und er würde seine Artgenossen vermissen und uns vielleicht noch eingehen, setzte ich alle Hebel in Bewegung eine Unterkunft in einer Wildtier-Auffang-Station zu bekommen. Es dauerte ein paar Tage und bedurfte vieler Worte und guter Kontakte, aber wir haben einen schönen Platz für ihn gefunden.
Inzwischen war er uns wirklich an's Herz gewachsen, im wahrsten Sinne des Wortes. Kaum holte ich ihn aus der Höhle zum Füttern krallte er sich an meinem T-Shirt fest und kuschelte mit mir. Die Kinder fütterten ihn und streichelten ihn und wir unternahmen gemeinsame Spaziergänge.
Ich las viel in diesen Tagen. Unter anderem das Buch "Der Waschbär" von Ulf Hohmann und Ingo Bartussek. Ein wissenschaftliches Buch, das man auch als Nicht-Biologe gut lesen kann und das viele Informationen über diese hübschen Zeitgenossen liefert.
Dann kam der Tag an dem wir Abschied nehmen mussten, denn die Wildtierstation hatte angerufen und die mehr oder weniger frohe Nachricht eines freien Platzes für uns. Wir waren alle irgendwie traurig. Die Kinder weinten, bastelten Abschiedsgeschenke und auf der Fahrt zur Station waren wir ziemlich sprachlos. Natürlich war uns klar, dass es so besser war und dennoch war es eine sehr schöne Erfahrung an die wir uns alle gerne erinnern.
In meiner Lieblingsbuchhandlung bekam ich über das Antiquariat sogar noch eine alte Taschenbuchausgabe der wunderschönen autobiografischen Geschichte "Rascal der Waschbär" von Sterling North. Der Autor erzählt seine Geschichte wie er an einem Sommernachmittag im Jahr 1918 ein hilfloses Waschbär-Baby findet und es mit nach Hause nimmt. Er füttert es mit einem Strohhalm und hat nun einen ständigen Begleiter und neuen Freund. Sie erleben viele Abenteuer, vor allem in der Natur, die alle sehr schön und detailgetreu erzählt werden. Irgendwann ist Rascal groß und Sterling spürt wie es ihn zurück in die Wildnis zieht. Selbst ihr Abschied voneinander ist schön.
Übrigens: Falls Ihr im Sommer Tierkindern in freier Natur begegnet fasst sie bitte nicht an und lasst sie dort, denn häufig lässt die Mutter sie mal für ein paar Stunden alleine und kehrt dann zurück. Berührt sie nur dann, wenn ganz offensichtlich ist, dass sie verletzt sind oder die Mutter über mehrere Tage und Nächte nicht mehr bei ihnen war.
Hier unser kurzer Film von "unserem Waschbär"